Pressemitteilung der Deutschen Umwelthilfe vom 17.06.2010
Deutsche Umwelthilfe legt Genehmigungsbehörden in Schleswig-Holstein neues Rechtsgutachten vor – Genehmigungen für neue Anlagen in Zukunft praktisch unmöglich – DUH-Bundesgeschäftsführer
Rainer Baake: "Investoren gehen hohes rechtliches und ökonomisches Risiko ein"
Der geplante Bau zweier Kohlekraftwerke am Standort Brunsbüttel ist wegen der mit ihrem Betrieb verbundenen Quecksilberbelastungen von Elbe und Nordsee auf Grund europarechtlicher Vorgaben nicht
genehmigungsfähig. Das ist die Schlussfolgerung der Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH) aus einem von ihr beauftragten Rechtsgutachten, das jetzt den Genehmigungsbehörden in Schleswig-Holstein
vorgelegt wurde.
Mit Steinkohle befeuerte Kraftwerksblöcke der in Brunsbüttel geplanten Größenordnung leiten, trotz der so genannten Rauchgaswäsche, mit dem Abwasser pro Jahr und Block bis zu 10 Kilogramm
Quecksilber in die umgebenden Gewässer. Dieser "Quecksilberschlupf" kann trotz der heute verfügbaren Filtertechnik nicht zurückgehalten werden. Darüber hinaus kommt es über die Schornsteine zu
Quecksilberemissionen von mehr als 300 Kilogramm pro Kohleblock und Jahr in die Atmosphäre.
Gleichzeitig setzt das europäische Wasserrecht dem Eintrag von Quecksilberemissionen aus Kohlekraftwerken enge Grenzen. Ihre Einhaltung ist bereits jetzt im Rahmen von immissionsschutzrechtlichen
Genehmigungsverfahren zu beachten, schreiben die beiden Gutachter Prof. Dr. Wolfgang Köck und Dr. Stefan Möckel vom Umweltforschungszentrum der Universität Leipzig. So fordere die
EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL), dass der Eintrag prioritärer gefährlicher Stoffe, zu denen Quecksilber wegen seiner hohen Giftigkeit und Fähigkeit zur Anreicherung zählt, bis 2028 vollständig
und ausnahmslos zu beenden ist. Außerdem sind in der europäischen Richtlinie prioritäre Stoffe (RL 2008/105/EG) äußerst strenge Grenzwerte für den Quecksilbergehalt in Gewässern und den darin
befindlichen Lebewesen festgelegt. Ihre Einhaltung muss ebenfalls spätestens bis 2028 gewährleistet sein. Wenn Maßnahmen zur Begrenzung der Emissionen – also etwa die Reinigungstechniken für
Abwasser und Abluft – die Einhaltung der Grenzwerte nicht gewährleisten, habe dies Auswirkungen auf die Genehmigungsfähigkeit eines solchen Kraftwerks, heißt es in dem Gutachten weiter.
Naturgemäß haben heute erteilte Genehmigungen für Kohlekraftwerke in Anbetracht durchschnittlicher Laufzeiten von 40 bis 50 Jahren langfristige Auswirkungen auf die Gewässersituation. Mit der
Zulassung von Kohlekraftwerken würden daher Quecksilberemissionen genehmigt, die die Einhaltung der bis spätestens 2028 zwingend vorgegebenen Ziele der WRRL und der Richtlinie zu den prioritären
Stoffen schon heute faktisch unmöglich machen würden. Das aber wäre ein Verstoß gegen die so genannte verbindliche Vorwirkung, die die beiden EU-Richtlinien bereits jetzt entfalten.
"Die Energieversorger sollten zwingende europarechtliche Regelungen endlich zur Kenntnis nehmen", erklärte DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake. "Neue Kohlekraftwerke sind nicht nur umwelt-,
klima- und energiepolitisch Technologien von vorgestern. Die Verantwortlichen müssen sich im Klaren darüber sein, dass sie mit ihren Investitionen in Quecksilber emittierende Anlagen ein hohes
rechtliches und damit auch ökonomisches Risiko eingehen. " Die DUH gehe davon aus, dass die Genehmigungsbehörden in Schleswig-Holstein bei ihrer Entscheidung zu den beantragten Kohlekraftwerken
die bindenden europarechtlichen Vorgaben beachten werden.
Das Rechtsgutachten kann hier als pdf-Datei heruntergeladen werden
http://www.duh.de/fileadmin/user_upload/download/Projektinformation/Kohlekraftwerke/Rechtsgutachten_Quecksilber_KohleKW.pdf
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Proteste vor niedersächsischen Landesparteitag der SPD gegen den Bau neuer Kohlekraftwerke
Mit Giftfässern, die den enormen Ausstoß an Schadstoffen des Klimakillers Kohle symbolisch zeigen, hat ein breites Bündnis aus Bürgern, Umweltaktivisten, Kirchenvertretern und der Klima-Allianz
heute vor dem Landesparteitag der niedersächsischen SPD in Stade gegen den Bau neuer Kohlekraftwerke demonstriert. Die SPD in Stade, allen voran Bürgermeister Rieckhof, gilt als treibende Kraft
für den Ausbau von Kohlekraftwerken.
"Während die SPD auf Bundesebene vollmundig den Klimaschutz propagiert, will die SPD in Stade ohne jegliche Bedingungen den Bau neuer klimaschädlicher Kohlekraftwerke, selbst wenn sie keine
Kraft-Wärme Koppelung haben und somit gerade mal einen Wirkungsgrad von max. 46% erreichen", kritisiert Ingrid Meyer-Schmeling von der Bürgerinitiative Stade-Altes Land. "Wir sagen: der
Klimaschutz muss hier vor Ort anfangen, denn nur so können die notwendigen CO2-Reduktionen auch erreicht werden." In der Hansestadt Stade wollen E.ON und DOW zwei neue klimaschädliche
Kohlekraftwerke mit einer Gesamtleistung von 1900 Megawatt bauen. Sollten die Kraftwerke realisiert werden, würden sie jährlich das Klima mit dem Ausstoß von über 11,3 Millionen Tonnen CO2
belasten. Gleichzeitig würde billigend eine massive Schädigung des sensiblen Ökosysstems an der Unterelbe durch die Entnahme von über 900 Millionen Kubikmeter Kühlwasser pro Jahr in Kauf
genommen.
"Keine Art der Stromgewinnung ist so klimaschädlich wie die Kohleverstromung", sagt Elias Perabo von der Klima-Allianz. "Wir fordern die niedersächsische SPD deshalb auf, sich gegen neue Kohlekraftwerke in Stade und an anderen Orten in unserem Bundesland einzusetzen und sich unmissverständlich für den Klimaschutz und die erneuerbaren Energien stark zu machen."
Die Proteste wurden unterstützt von: Bürgerinitiative Stade Altes-Land, Bürgerinitiative Haseldorfer Marsch, Bürgerinitiative Brunsbüttel, BUND Niedersachsen, NABU Stade, Oxfam, Deutsche Umwelthilfe, Campact und der Klima-Allianz (eine Bündnis von über 100 Organisationen).